Auf zum Rio Guadiana!

Heute machen wir uns relativ früh morgens in Culatra auf den Weg. Der Tag beginnt bewölkt. Claudia hat uns zum Frühstück ein Müsli vorbereitet, das wir essen wollen, wenn wir aus der Lagune raus gefahren sind (blöde Idee – dazu gleich mehr).

Mit ablaufendem Wasser fahren wir zwischen unzähligen Fischerbooten an den Ortschaften Culatra und Farol vorbei in Richtung zum offenen Meer. Da wir auf dem GPS den Track gespeichert haben, auf dem wir vor ein paar Tagen in die Lagune gefahren sind, können wir uns sicher sein, dass wir immer genügend Wasser (mehr als eine Handbreit 😉) unterm Kiel haben.

An den Wellenbrechern, welche die Ein- und Ausfahrt der Lagune bilden angekommen, sehen wir, dass sich das ablaufende Wasser und die Dünung des Meeres in die Quere kommen, es bilden sich so genannte Overfalls. Das Meer scheint zu kochen und es bilden sich kurze steile Wellen, durch die wir mit Sabir durchstampfen.

Leider werden wir auch nach der Ausfahrt aus der Lagune auf dem offenen Meer ganz schön durchgeschaukelt. Wir setzen unsere Segel, das bringt ein bisschen mehr Ruhe ins Schiff – aber an ein gemütliches Frühstück ist so nicht zu denken. Wir sind alle sehr hungrig und wollen endlich einen Kaffee. Das Meer arbeitet dagegen. Wir müssen unsere Tassen und die Müslischalen gut festhalten, damit nichts daneben geht. Müsli vorbereiten war eine gute Idee – das Frühstück draußen leider nicht.

Martina gelingen ein paar Fotos von einem Delfin, der uns für eine kurze Zeit begleitet.

Im Verlauf des Vormittags wird das Wetter besser: Die Wolken verziehen sich, die Sonne kommt raus und auch das Meer beruhigt sich.

Wir haben im Vorfeld schon überlegt, dass wir auf dem Weg an den Rio Guadiana einen Zwischenstop in Tavira einlegen wollen – falls wir dort im Fluss einen geeigneten Platz zum Ankern finden. Es ist bekannt, dass durch die Gezeiten in dem Fluss eine starke Strömung herrscht und dass der Platz zum Ankern begrenzt ist.

Wir bleiben nicht in Tavira.

Ich entscheide mich dazu hier keinen Ankerversuch zu starten – es erscheint mir zu eng und es waren bereits zu viele Schiffe dort. Wir fahren also direkt weiter in Richtung Vila Real de Santo Antonio an die Mündung des Rio Guadiana. Bei 15kn und halbem Wind setzen wir alle Segel und kommen mit knapp 6kn gut voran.

Wir erreichen gegen 15:00 Uhr die Einfahrt in den Guadiana Fluss, passieren die beiden Städte Villa Real de Santo Antonio auf der portugiesischen und Ayamonte auf der spanischen Seite.

Der Anker fällt kurz vor der Autobrücke – der einzigen Möglichkeit für lange Zeit den Fluss mit dem Auto zu überqueren. Wir schauen auf der portugiesischen Seite auf das Castelo de Castro Marim.

Bevor wir morgen den Fluss hinauf fahren, möchte ich unbedingt noch mal nach der Logge schauen, die uns anzeigt, wie schnell Sabir durch das Wasser fährt. Wenn wir zum Beispiel gegen die Strömung fahren, zeigt uns die Logge eine höhere „Fahrt durchs Wasser“ an, als das GPS die „Geschwindigkeit über Grund“. Aus der Differenz kann man Stärke und Richtung der Strömung abschätzen.

Das spannende an der Sache: Die Logge ist vor dem Kiel in den Boden des Schiffs eingebaut. Um sie sauber zu machen muss man sie von innen in das Schiff hineinziehen. Durch die entstehende Öffnung läuft dann natürlich Wasser ins Schiff. Das Loch muss durch einen Stopfen verschlossen werden, damit das Schiff nicht vollläuft. Martina, Hannes und Claudia stehen gespannt um mich herum, als ich das Bodenbrett anhebe und mich daran mache, die Logge zu ziehen. Beim Herausziehen kommt auch tatsächlich ein Schwall Wasser hinein, aber der Stopfen ist schnell in den Borddurchbruch gesteckt und gesichert.

Tatsächlich hatte sich eine Art Schnecke in das Schaufelrad gesetzt. Mit einem Schraubenzieher und Küchenpapier wird alles gereinigt. Die Schnecke kommt über Bord – ob sie die Prozedur überlebt hat, ist unklar. Die Logge lässt sich nun wieder drehen.

Auch beim Hineinstecken kommt wieder Wasser ins Schiff. Alles in allem wird es am Ende vermutlich gerade mal ein Liter Wasser gewesen sein.

Mit ablaufendem Wasser kommt uns das Ufer immer näher. Wir beobachten vereinzelte Löffelreiher(?) und Kühe.

Ich mache mir kurz Gedanken, ob es ein Problem werden könnte, wenn nachher ungefähr gegen Mitternacht der Strom kentert. Ich frage mich, ob sich unser Heck, wenn es sich wieder flussaufwärts dreht in Richtung zum Ufer drehen könnte, so dass es dann eventuell doch zu flach sein könnte. Ich komme aber zu dem Schluss, dass das „eigentlich“ nicht passieren sollte. Bei „eigentlich“ wird Claudia hellhörig und bietet sich an, eine Ankerwache zu machen und das Ganze zu beobachten.

Ab hier folgt die Beschreibung von Claudia:

Ja, wenn in einem Satz „eigentlich“ vorkommt … deshalb übernehme ich die Ankerwache.

Ich sitze im Cockpit, genieße bei angenehmer Temperatur die Stille und betrachte den Sternenhimmel über mir. Wobei: Richtig still scheint es doch nicht zu sein. Das Wasser plätschert um Sabir, Fische springen aus dem Wasser und ich höre am sehr naheliegenden Ufer Frösche quaken und für mich unsichtbare Wasservögel schnattern um die Wette. Ansonsten höre ich tatsächlich keine Geräusche … es erscheint alles so friedlich. Auf der spanischen Seite erstrahlt Ayamonte im Lichterglanz.

Irgendwann bemerke ich am Ufer unzählige kleine weiße „Kugeln“ die sich wie eine Perlenschnur aufreihen und sich bewegen. Da sich meine Augen schon ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkenne ich, dass sich eine Unzahl von Löffelreihern(?) entlang des Ufers zum Abendessen trifft. Sie laufen hintereinander und picken bei/nach jedem Schritt was leckeres aus dem Boden. Das ablaufende Wasser scheint ihnen einen reichhaltigen Tisch zu bieten.

Gegen 23:30 Uhr bemerke ich dann am Tiefenmesser, dass das Wasser langsam steigt. Sabir fängt ganz langsam an, sich über den Bug zu drehen, es kommt auch ein leichter Wind auf. Sabir ist in ihrem Element und weiß ganz genau, wie sie sich jetzt zu verhalten hat. Meine Aufgabe besteht lediglich darin zu kontrollieren, dass wir nicht zu nahe ans Ufer kommen.

Der nächste Logbucheintrag ist um 00:02 Uhr: Sabir hat sich um 180 Grad gedreht. Die Wassertiefe ist bereits wieder bei 3,20 Meter, sinkt für kurze Zeit nochmal auf 2,70 Meter und pendelt sich dann bei 3,20 Meter ein.

Das Dinghy, welches seitlich an der Bootsmitte festgemacht ist, scheint noch ein wenig widerspenstig und sträubt sich, sich auch zu drehen. Es steht noch für etwa 10 Minuten mit dem Bug zum Ufer und mit dem Heck an Sabir.

Um 00:11 Uhr mache ich den letzten Eintrag. Das Dinghy steht nun wie Sabir. Es scheint alles so zu sein wie es soll. Ich informiere Peter, der mir sein okay gibt, dass ich die Wache beenden kann und falle, zufrieden mit diesem Erlebnis, in eine traumlose Nacht.

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