Obwohl uns der Abschied schwer fällt, wollen wir uns am Sonntagvormittag auf den Weg von Gran Tarajal in Richtung Las Palmas auf Gran Canaria machen. Wir wollen zuerst bis an die Südwestspitze von Fuerteventura segeln und dort den Anker für eine Nacht am “Playa El Puertito“ fallen lassen. Das sind ca. 31nm und die sind gemütlich an einem Tag machbar. Die zweite Etappe von Fuerteventura rüber nach Gran Canaria ist dann knapp über 50nm lang. Dafür müssen wir schon eher einen “langen“ Tag rechnen.
Aber irgendwie kommen wir nicht so los, wie wir es eigentlich geplant hatten. Um 8:30 Uhr waren wir bereits mit all unseren Vorbereitungen fertig und wollten in das Büro der Marina gehen, um zu bezahlen – aber da war niemand. Die Türe zu den Büroräumen war zwar geöffnet und es lagen auch eine Brille und andere persönliche Dinge herum, aber der Zugang zum Gebäude war durch eine stählerne Gittertüre versperrt. Wir haben uns noch ein paar Minuten vor dem Büro herumgetrieben und uns dann entschieden, wieder zurück zu Sabir zu gehen und es einfach später noch einmal zu versuchen.
Auf dem Weg zurück machen wir einen Abstecher zu Anna&Reinhard, um uns zu verabschieden. Danach verabschieden wir uns von Stefan, der mit seiner “Agua Azul“ seit gestern am selben Fingersteg direkt neben uns liegt.
Beim zweiten Versuch eine Stunde später bin ich dann erfolgreich. Die beiden Mitarbeiter der Sicherheitsfirma, die für die Verwaltung des Hafens zuständig sind, sitzen nun in ihrem Büro. Der Check-Out ist schnell erledigt, so dass Claudia und ich uns gegen 10:45 Uhr endlich auf den Weg machen können.
Direkt vor dem Hafen ist noch wenig Wind, dennoch setzen wir unsere Segel und versuchen von der Küste wegzukommen, da wir dort etwas mehr Wind vermuten. Das klappt auch. Fast 2,5 Stunden lang können wir mit raumem Wind (zwischen 12kn und 15kn) segeln, bis er einschläft und wir wieder unter Motor fahren müssen.
Wir kommen vorbei an Costa Calma und sehen noch einmal die sandige, wüstenartige Landschaft, durch die wir vor ein paar Tagen gewandert sind.
Unvermittelt sehen wir eine Taube, die versucht sich bei uns an Bord niederzulassen. Zuerst versucht sie es auf einer Saling – das ist aber im Seegang viel zu rutschig. Sie fliegt noch einmal auf, einmal um unser Schiff herum und setzt sich dann letztendlich auf die geöffnete Persenning des Besansegels. Wir sind froh, dass die Taube einen Bogen um den Windgenerator gemacht hat. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte sie die im Fahrtwind rotierenden Rotorblätter nicht gesehen…
Bei Morro Jable geht es “um die Ecke“. Wir fahren nun parallel zur Küste in Richtung Westen.
Erst jetzt, nach 2,5 Stunden Ausruhen, wird unser Blinder Passagier wieder aktiv. Die Taube reckt ihren Kopf und schaut interessiert in Richtung Insel.
Unvermittelt macht sie sich auf den Weg und fliegt auf dem kürzesten Weg an Land. Wir sind gespannt, was sie uns zum Dank für unsere Gastfreundschaft auf dem Besansegel hinterlassen hat.
Nun nimmt auch der Wind noch einmal zu. Wir können tatsächlich die letzte Stunde noch einmal die Genua ausrollen und mit 14kn bis 17kn am Wind bis zu unserem Zwischenziel segeln.
Gegen 17:45 Uhr werfen wir unseren Anker auf 7m Wassertiefe. Wir räumen noch ein bisschen auf und ich kümmere mich um die Hinterlassenschaften unseres Blinden Passagiers. Ich bin beim Saubermachen am Überlegen, ob noch mal ein Vogel so lange auf einem unserer Segel sitzen darf. Aber es steht außer Frage, dass auch der nächste Vogel bei uns Asyl bekommt, wenn er so erschöpft ist, wie die Taube heute.
Wir haben die ganze Nacht über um 4-5 Bft. Der Wind weht aus nördlichen Richtungen aus der Landabdeckung, so dass wir relativ wenig Schwell haben. Wir gehen früh ins Bett, da wir heute, am Montagmorgen, bereits gegen halb sieben los möchten.
Die Nacht ist viel zu kurz… Der Wecker klingelt um Viertel vor fünf. Ich stehe auf und lasse Claudia noch ein bisschen schlafen. Claudia hat gestern Abend noch ein Müsli vorbereitet und ich muss nur noch den Kaffee kochen. Wir frühstücken im Bett und werden langsam, aber sicher wach. Heute gibt es ja zum Glück nicht viel vorzubereiten, bevor wir los können. Um 6:30 Uhr ziehen wir in der beginnenden Morgendämmerung den Anker hoch. Claudia steuert uns aus der Bucht, um das Riff vor dem Leuchtturm, und wir ziehen die Segel hoch.
Mit gemütlichen 14kn Halbwind segeln wir Richtung Gran Canaria. Hinter Fuerteventura geht irgendwann die Sonne auf. Wir genießen einen zweiten Kaffee und überlassen dem Autopiloten – wie sonst auch immer – das Steuer.
Wir haben heute die meiste Zeit einen wunderschönen, ereignislosen Segeltag. Abwechselnd übernimmt einer von uns für 2 Stunden die Wache und ist aufmerksam, während der andere sich hinlegen, lesen oder schlafen kann.
Eigentlich hatten wir vermutet, dass wir auf der Strecke die meiste Zeit eine der beiden Inseln sehen werden. Aber Fuerteventura ist schnell am Horizont verschwunden und die Berge Gran Canarias kommen erst gegen 13:00 Uhr in Sicht.
Auch heute holen wir wieder die Gitarre hoch und üben beide ein bisschen – bis uns die Fingerkuppen schmerzen. Es dauert wohl noch eine Weile, bis sich unsere Finger an den Druck der Saiten gewöhnen.
Gegen 15:00 Uhr nimmt der Wind zu, wir sind noch ca. 2 Stunden von Gran Canaria entfernt. Das kommt uns sehr gelegen, denn so werden wir schneller und kommen früher an. Mit dem Wind nehmen aber auch die Bedeckung und die Wellen zu und es wird ungemütlich kühl.
Je näher wir der Insel kommen, desto mehr Großschifffahrt ist zu sehen. Direkt vor dem Hafen von Las Palmas liegen etliche Frachter und Tanker auf Reede. Ich schaue mir das Ganze eine Weile durch das Fernglas an und versuche herauszufinden, welche Schiffe vor Anker liegen und welche in Fahrt sind – gar nicht so einfach.
Ich war im November 2013 schon einmal bei der Einfahrt in den Hafen von Las Palmas dabei – damals als Crew bei einem 2-wöchigen Kanarentörn. Leider erinnere ich mich nicht mehr, wie viel Platz im Hafen, hinter dem Wellenbrecher war. Aus diesem Grund nehmen wir unsere Segel schon relativ weit vor dem Hafen herunter. Wir werden dann ganz schon von den Wellen durchgeschüttelt, die der Wind inzwischen aufgetürmt hat. Hinter dem Wellenbrecher wird es aber sofort ruhiger und siehe da: Es wäre genügend Platz gewesen, da hätten wir gut und gerne in den Hafen hinein segeln können und drinnen erst die Segel bergen.
Wir fahren an der Marina von Las Palmas vorbei und lassen gegen 17:30 Uhr vor dem Stadtstrand „Playa de las Alcaravaneras“ unseren Anker fallen.
Wir liegen nun quasi mitten in der Großstadt. In schätzungsweise 200m Luftlinie führt eine 6-spurige Straße mit viel Verkehr am Stadtzentrum mit der Strandpromenade entlang. Dahinter liegen Geschäftshäuser und Wohngebiete. Wir hören den Lärm der Großstadt und des Hafens. Aber der Ankerplatz scheint ruhig zu sein – sprich es gibt keine Wellen und die Schiffe liegen ruhig – das ist gut.
Als es Nacht wird, bekommt die Kulisse durch die vielen Lichter einen besonderen Reiz. Wir legen uns bald schlafen, da uns der Segeltag müde gemacht hat.