…für die letzten Arbeiten am Kiel.
Heute mussten wir – das erste Mal, seit fünf Wochen – mit Wecker und früh aufstehen, denn die Jungs mit dem Travellift (dem Kran) waren für neun Uhr angekündigt. Sabir soll nämlich in die Gurte gehängt werden, so dass Peter die letzten Arbeiten am Kiel ausführen kann und wir anschließend ins Wasser können.
Gestern Abend sind wir noch alle Schritte durchgegangen:
– Der Kran fährt über Sabir bis kurz vor den Windgenerator
– Während Peter den Windgenerator hält (der ist ganz schön schwer), löse ich die restlichen Schrauben.
– Der Windgenerator wird von uns beiden auf der Backbordseite abgelegt und der Travellift kann weiter über Sabir fahren.
– Der Windgenerator wird wieder hochgeklappt. Peter hält ihn und ich schraube ihn provisorisch fest, damit er sicher steht.
– Sobald wir in den Gurten hängen, können die restlichen Arbeiten erledigt werden.
Außerdem haben wir gestern noch eine Liste mit den Dingen gemacht, die heute noch erledigt werden müssen.
Okay. Soweit verstanden. Trotzdem bin ich ganz schön aufgeregt. Peter hat das ja alles letztes Jahr schon erlebt und erscheint mir nicht mehr so angespannt.
Nach einem schnellen Frühstück haben wir das benötigte Werkzeug bereitgelegt. Peter hatte den Windgenerator gestern schon zum Teil vorbereitet.
Der Kran fuhr also heute über Sabir, ich habe die Schrauben gelöst (was war ich aufgeregt, dass mir die Unterlegscheibe, das Werkzeug oder eine der Muttern nach unten fällt). Es hat ja auch meistens nicht viel Platz und leicht zugänglich war es auch nicht.
Oft ist es ja so, dass man sich einen Plan zurechtlegt und alle Schritte bespricht (so wie wir das getan haben)… dann kommt es aber anders.
Aus irgendeinem Grund war Sabir heute höher als letztes Jahr (ist sie gewachsen?) und der Travellift kam nicht über den Mast, an dem eines der Solarpanele angebracht werden kann. Ich habe versucht den Mast zu lösen und aus der Halterung zu ziehen, das ging nicht. Also musste ein Schraubenzieher her um die Halterung komplett abzubauen. Die erste Schraube ging noch prima auf, die anderen waren so fest zu, dass mir die Kraft fehlte, diese zu lösen. Peter konnte nicht helfen, da er den Windgenerator festhalten musste. Im genau richtigen Moment kam Adi. Er kam an Bord und hat versucht die restlichen Schlauchschellen der Halterung zu lösen was ihm mit Mühe dann auch gelang (DANKE dafür!). So konnte ich dann die Halterung aus den lockeren Schellen lösen und der Travellift weiter über Sabir fahren.
Nachdem der Lift über den Windgenerator hinweg war, wurde dieser von uns aufgestellt. Peter hielt ihn fest und ich habe ihn wieder angeschraubt. Gleichzeitig haben die Jungs die Gurte um Sabirs Bauch gelegt und angezogen. Die Stützen, auf denen sie stand, wurden entfernt. Das hat ganz schön geruckelt und gewackelt.
Sabir hing dann sicher im Kran, so dass es auch wieder möglich war von und an Bord zu gehen.
Peter hat sich anschließend mit Adi um den Kiel gekümmert. Ich habe unsere gestern erstellte Liste „abgearbeitet“ (Leinen auf der Backbordseite bereitlegen, Fender aufhängen, Dinghy nochmal aufpumpen – das hatte ich gestern schon mal gemacht, es hat über Nacht auf der Steuerbordseite viel Luft verloren, Wassertank füllen…)
Gegen 14:00 Uhr waren wir mit allem fertig und haben uns noch kurz gemütlich ins Cockpit gesetzt. Wir besprechen den weitern Ablauf:
João wird Sabir wieder ein wenig ablassen und mit ihr in Richtung des Beckens zum Ein-/Auswassern fahren. Seine Kollegen dirigieren ihn mit Handzeichen, da er selbst nicht den Rundumblick hat (Sabir ist ja bereits ohne Travellift 4m breit und über 11m lang). Er wird dann über das Becken fahren, so dass Sabir über dem Wasser schwebt. Sobald er sie ablässt und sie etwa auf gleicher Höhe mit dem Becken ist, dürfen wir an Bord. Peter wird unter Deck gehen und die Seeventile checken, den Motor starten, am Ruder stehen und sich um die Achterleine kümmern. Ich werde nach vorne gehen und mich um die Vorleine und die Fender backbord kümmern. Die Leinen werden den Jungs an Land gegeben und João wird Sabir langsam ganz ins Wasser lassen. Sobald die Gurte in denen Sabir hängt ganz auf dem Grund liegen, werden die Leinen an Bord gegeben und Peter kann aus dem Becken fahren. Ich soll die Betonwand und die Fender gut im Blick haben. Okay. Soweit verstanden.
Es schaut irgendwie unwirklich aus, wenn ein 15 Tonnen schweres Schiff (Peter hat João, den Kranfahrer, nach dem Gewicht gefragt, als sie im Lift hing) im Kran hängt und über den Trockenplatz gefahren wird. Kommt eine Unebenheit, kommt das Gewicht ins schwanken als würde es nichts wiegen. Schaut ein bisschen komisch aus wenn sie so ins Schaukeln kommt. Da bekommt der Begriff Schiffschaukel eine ganz andere Bedeutung.
Peter ist souverän und macht Bilder von dem ganzen Geschehen als sei es das normalste von der Welt, dass sein Schiff durch die Gegend schwebt.
Ich hingegen bin gespannt und rede vor mich hin: „Der Gurt ist doch viel zu weit vorne, wenn João jetzt gleich über das Bodenloch fährt, verrutscht bestimmt der Gurt und Sabir fällt nach vorne raus.“ Oder: „Ohjeh, der Durchgang ist doch viel zu eng, wenn João da jetzt irgendwo hängen bleibt…“ Oder: „Halten die Gurte wirklich das Gewicht aus, was ist, wenn da jetzt einer reißt?“ Oder „Sollte er Sabir nicht weiter anheben, so dass er nicht mit dem Kiel irgendwo hängen bleibt?“
Peter schaut mich lächelnd und wissend an… ob es ihm letztes Jahr genauso ging?!??
Als ich diese Zeilen schreibe muss auch ich in mich reinlächeln… die Jungs haben das schon sehr oft gemacht und sie wissen ganz genau was sie tun.
Am Becken angekommen läuft alles so, wie oben beschrieben. Da unsere alte Dame fast ein bisschen zu groß für den Kran ist, ist es Maßarbeit was die Jungs geleistet haben. Bei der Kontrolle der Seeventile schließt Peter vorsichtshalber drei, da sie leicht tröpfeln. An zweien ist vermutlich der Schlauch nicht ganz dicht und an einem das Gewinde.
Wir fahren sicher aus dem Becken und werfen im Hafen den Anker. Sabir ist endlich wieder ein Schiff!
Peter kontrolliert nochmal alle Seeventile. Bis auf die oben beschriebenen drei sind alle in Ordnung. Das Seeventil der Seewasserpumpe wird noch ein wenig fester gedreht und schon ist es dicht. Bei den anderen beiden müssen wir morgen mal nach den Schläuchen und den Schlauchschellen schauen.
Wir huldigen Rasmus und opfern ihm einen Schluck Hochprozentiges.
Peter hält eine sehr berührende und persönliche Ansprache. Wir haben mit und auf Rasmus angestoßen und hoffen, dass er Sabir und uns immer gut beschützen wird. Bei Poseidon entschuldigen wir uns, dass wir in sein Reich eindringen und bitten um sichere Durchfahrt.
Es gibt ja so allerlei Aberglauben auf der Welt und dieser ist auch unter Seefahrern weit verbreitet. Zum Beispiel soll Pfeifen an Bord einen Sturm heraufbeschwören und die Farbe grün soll anscheinend Neptun verärgern. Frauen an Bord sollen sowieso Unglück bringen.
Wir sehen unser Opfer jedoch nicht als Aberglauben, sondern eher als schöne Tradition und Seemannskultur.
Jetzt ist erst mal Ausruhen angesagt. Ich möchte gerne einen Kaffee trinken und dazu ein Stück Schokolade essen. Jetzt wird Peters Anspannung spürbar: Er hat noch keine Ruhe und kann sich noch nicht hinsetzen. Hier und da wird noch geräumt und getan…
Endlich kehrt Ruhe ein. Wir machen es uns im Cockpit gemütlich und genießen es endlich im Wasser zu sein.
Es fühlt sich im Vergleich zum Trockenen wieder ganz anders an hier im Wasser. Sabir bewegt sich wieder – mal mehr mal weniger – und es gibt andere Geräusche als an Land: Sabir „plappert“ vor sich hin (sie hat uns sehr viel zu erzählen), wir hören den Windgenerator – der uns zuverlässig mit Strom versorgt… Geht man unter Deck und schaut zu den Fenstern im Salon hinaus sieht man plötzlich wieder Wasser – Peter bezeichnet es als unseren „hauseigenen Swimmingpool“. Zudem erscheint es besser zum Umfüllen von Flüssigkeiten wieder einen Trichter zu verwenden… und man kann die Sonnenstrahlen auf dem Wasser tanzen sehen…
Alles in allem ist es sehr viel schöner im und auf dem Wasser.