Nach einer ereignislosen Nacht sitzen wir drei gemeinsam im Cockpit und frühstücken. Unser letzter Tag auf See, bevor wir Porto Santo erreichen beginnt. Er scheint schön und sonnig zu werden.
Der kräftige Wind und die hohen Wellen sind geblieben. Wir haben immer noch im Mittel ungefähr 28kn. In Böen geht es hoch auf 36kn. Irgendwie haben wir uns inzwischen daran gewöhnt und es macht uns einen riesigen Spaß zu beobachten, wie schnell Sabir bei diesen Bedingungen unterwegs ist. Wir sind immer wieder beeindruckt, was für Wellen hinter uns angerollt kommen, die sich zuerst hinter uns auftürmen, unser Heck anheben und uns dann mit auf „Talfahrt“ nehmen. Sabir beschleunigt auf dem Weg ins Wellental regelmäßig auf ungefähr 7,5kn. Die Welle rollt unter uns hindurch und wir müssen „bergauf“ fahren. Aber auch da werden wir nicht viel langsamer als 5,5kn – 6kn. Es ist ein wahrer Genuss so unterwegs zu sein.
Wir versuchen die Wellen mit unseren Kameras einzufangen – aber es gelingt uns nicht, die Größenverhältnisse sichtbar zu machen. Auf den Bildern fehlt wahrscheinlich einfach der Größenbezug.
Während wir so in die Wellen starren, fällt mir plötzlich ein relativ großes „Etwas“ auf, das auf unserer Steuerbordseite neben uns schwimmt: Es ist eine Meeresschildkröte, die – wie wir – die Wellen herunter surft. Leider hat keiner von uns genau in diesem Moment ein Handy oder einen Fotoapparat griffbereit, deswegen gibt es keine Bilder. Sehr schade auch: Claudia war gerade unter Deck und kam ein paar Sekunden zu spät nach oben, als die Schildkröte schon wieder unter Wasser verschwunden ist.
Wir verbringen den Tag mit Gesprächen und mit gemütlichen Schläfchen in der Sonne. Christoph hat gleich am Morgen wieder die Angel ausgeworfen (wir werden aber leider auch heute nichts fangen…).
Am frühen Abend, es sind noch knapp 40nm bis Porto Santo, versuche ich mal probehalber den Motor zu starten und ein bisschen laufen zu lassen, damit wir sicher sein können, dass er uns später anspringt, wenn wir auf Porto Santo angekommen sind und das Ankermanöver fahren wollen.
Was soll ich sagen: Der Motor startet auf Anhieb – stirbt aber nach ein paar Sekunden einfach ab. Ok, das kommt jetzt nicht unerwartet. Bereits auf dem Rio Guadiana bei Alcoutim hatten wir da ja schon Probleme. Es bleibt mir nichts übrig: Ich muss bei dem Seegang unter Deck gehen und nach den Dieselfiltern schauen. Ich hatte mich ja im Vorfeld der Fahrt an die Algarve mit genügend Einsätzen für den Vorfilter und den Feinfilter eingedeckt. Für den Fall, dass wir aus den Tanks überhaupt nichts mehr raus bekommen, habe ich extra ein paar Meter Kraftstoffleitung gekauft, damit wir den Kraftstoffkreislauf überbrücken und aus einem Reservekanister fahren können.
Hier kommt wieder meine Seekrankheit ins Spiel. Da ich ja weiß, dass ich dafür anfällig bin, habe ich regelmäßig Tabletten eingeworfen, mit denen es mir in den vergangenen Stunden richtig gut gegangen ist. Jetzt aber, da ich den Einsatz des Vorfilters wechsle und permanent unter Deck bin (und dazu noch den Dieselgestank in der Nase habe), wird es wieder komisch. Irgendwie geht es jedoch – wenn es sein muss, muss die Seekrankheit zurückstecken. Leider hat das Wechseln des Vorfilters keinen Erfolg, der Motor springt zwar nach dem Entlüften an – stirbt aber schnell wieder ab. Also wird als nächstes auch der Feinfilter gewechselt. Aber auch das hat keinen Erfolg. Der Motor will einfach nicht lange laufen. Wir vermuten eine zugesetzte Kraftstoffleitung und somit entscheide ich, dass Plan C zum Einsatz kommt: Wir sperren die Kraftstofftanks ab, ich entferne die Kraftstoffleitung am Vorfilter und die Rückleitung der Einspritzpumpe zum Tank. Die Reserveleitung teile ich so, dass wir einen Teil als Zulauf und den anderen als Rücklauf in einen 20l Ersatzkanister stecken können. Den Kanister verkeilen wir mit verschiedenen Gegenständen gegen Umfallen und versuchen den Motor zu starten. Der erste Startversuch schlägt fehl. Die Motorsteuerung zeigt uns durch einen Pfeifton an, dass wir nicht weiter starten sollen. Auch der zweite Startversuch schlägt fehl. Wir sind ratlos. Eigentlich haben wir versucht, die Luft aus dem System zu bekommen, bevor wir versucht haben zu starten. Noch ein Versuch? Wie oft können/dürfen wir es noch probieren? Ich gebe mir einen Ruck und drücke nach ein paar Minuten den Startknopf erneut. Der Motor springt an und läuft. Es war wohl doch noch Luft im System. Der Motor hat drei Mal starten gebraucht um die verbleibende Luft aus dem System zu drücken. Wir lassen ihn noch ein paar Minuten laufen. Er läuft wieder einwandfrei.
Inzwischen habe ich durch die Seekrankheit drückende Kopfschmerzen bekommen, bin grün im Gesicht und freue mich, mich hinlegen zu können. Sofort geht es mir wieder besser. Ich nehme eine weitere Tablette und versuche zu schlafen.
Währenddessen zaubert Claudia (bei dem Seegang den wir immer noch haben) Bratkartoffeln mit Nürnberger Bratwürstel und einen Tomatensalat. Keine Ahnung, wie sie das macht – ihr kann die Seekrankheit, so scheint es, überhaupt nichts anzuhaben. Das ist gut.
Wir genießen das leckere Essen und machen uns für unsere letzte Nachtfahrt bereit. Ich darf mich noch einmal hinlegen, damit ich nachher zur Ansteuerung von Porto Santo und zum Ankern fit bin. Christoph übernimmt dankenswerterweise meine Wache.
Als ich gegen 22:00 Uhr wieder einigermaßen fit bin, dauert es nicht mehr lange, bis wir Lichter am Horizont sehen. Porto Santo ist in Sicht.