Las Palmas – Puerto Cementero – Puerto de Mogan

Es geht jetzt in den Süden Gran Canarias. Wir werden die erste Etappe von Las Palmas bis an den Puerto Cementero vor dem Örtchen El Pajar segeln. Das werden etwas weniger als 40nm und wir denken, dass wir dafür – je nach Wind und Laune den Motor zu nutzen – ca. 8 – 10 Stunden brauchen werden. Da wir ja immer versuchen wollen, bei Tageslicht anzukommen, werden wir wieder gegen 8:00 Uhr aufbrechen.

Wir haben am Vorabend schon alles vorbereitet und wir werden auch jeden morgen schneller mit den Vorbereitungen zum Ablegen. Nichts desto trotz stellen wir den Wecker auf kurz vor 6:00 Uhr. Es soll ein „Frühstück im Bett“ mit Kaffee und Müsli geben.

Der Tag beginnt allerdings mit einem gehörigen Schreck. Russland hat einen Krieg mit der Ukraine begonnen. Die letzten Tage wurde es immer deutlicher, dass sich die (seit 2014 andauernde) Krise in der Ukraine weiter zuspitzt und Russland offenbar den Einsatz von Militär in der Ukraine plant. Obwohl wir früh los wollen und die Abläufe ja eigentlich eng getaktet sind, sitzen wir dennoch lange mit unseren Handies im Bett und saugen die spärlichen Informationen aus den Nachrichten auf. Wir müssen uns dazu zwingen nicht in einer Schockstarre zu verharren und uns für unsere Strecke in den Süden fertig zu machen.

Wir schaffen es trotz der Umstände den Anker um 8:15 Uhr – nur wenig später als geplant – zu lichten. Das Heben des Ankers ist immer meine Aufgabe, da die hochgezogene Kette nicht einfach in den Ankerkasten fallen kann. Mit unseren 80m Kette wird der Ankerkasten ziemlich voll. Wenn man beim hochholen der Kette nichts macht und sie einfach nur in den Ankerkasten zieht, schichtet sie sich zu einem Kegel auf und blockiert irgendwann die elektrische Ankerwinsch. Also muss ich die Kette beim Hochziehen immer von Hand schön nebeneinander legen.

Während ich vorne den Ankerkasten aufräume, mir danach meine Hände (und das Gesicht) von den Dreckspritzern und den Spuren der dreckigen, rostigen Kette säubere und noch einen Logbucheintrag mache…

…fährt Claudia unsere Sabir aus dem Hafen von Las Palmas.

Es geht heute zwischen den ganzen „Großen“ vorbei, den Frachtern und Tankern, die vor dem Hafen auf Reede liegen.

Das „grüne“ sind die AIS-Signale der Tanker und Frachter auf Reede
Die Reede vor Las Palmas

Wir setzen unsere Segel und lassen uns von den ca. 14kn Wind mit ca. 5kn Fahrt in den Süden schieben. Wir lassen die Küste von Gran Canaria an uns vorbei ziehen. Es geht zunächst an dicht besiedelten und industriell geprägten Gebieten vorbei. Dann wird die Bebauung an der Küste dünner.

Claudia ist immer noch mit Nachrichten, diversen politischen Blogs und Twitter beschäftigt und versucht sich ein Bild zu machen. Sie telefoniert mit Zuhause und versucht die Stimmung in Deutschland einzufangen. Ich versuche mich abzulenken.

Wir wissen nicht, was wir von all dem halten sollen. Wir vertrauen immer auf das Gute im Menschen und kommen nur schwer damit klar, wenn sich bewusst gegen friedliche Lösungen entschieden wird. Wir versuchen weder die eine, noch die andere Seite zu verurteilen – aber wir verurteilen den Krieg!

Irgendwann hole ich die Gitarre hoch und übe ein bisschen. Ich finde im Internet die Akkorde von „Der Goldene Reiter“ von Joachim Witt und versuche mich darin das Lied zu singen. Ich muss sagen, das Greifen der Akkorde gelingt immer besser – aber beim Singen hapert es ein bisschen…

Auf der Höhe von Arinaga sehe ich vor uns einen dunklen Streifen und Schaumkrönchen auf dem Wasser: Da vorne wird der Wind auffrischen – Zeit zu reffen. Wir rollen das Vorsegel bis zur 1. Reffmarkierung ein und binden auch das 1. Reff in das Großsegel.

Dass hier oft kräftiger Wind herrscht, sieht man auch an der Reihe von Windkraftanlagen.

Während ich noch überlege, ob wir eventuell noch weiter reffen müssen, ist der ganze Spuk vorbei. Wir sind über die Stelle hinaus, an der der Wind von Norden an Gran Canaria vorbei streicht. Wir kommen in den Windschatten der Insel. Wir hätten nur wenige Minuten warten müssen und hätten uns das Reffen sparen können. Aber es gibt den Spruch: Wer ans reffen denkt, soll reffen… – egal. Wir rollen die Genau ein und holen auch gleich das Großsegel herunter. Der Motor wird gestartet und wir tuckern weiter an der Insel entlang.

Wir passieren die Touristenhochburgen Playa del Ingles, Maspalomas mit der berühmten Dünenlandschaft und Meloneras. Leider sind die Bilder etwas trüb geworden, da wir zu weit weg waren und das Teleobjektiv nicht gut genug ist.

Wir kommen an den ersten Ankermöglichkeiten an der Südküste von Gran Canaria vorbei und sehen am Horizont bereits etwas, das aussieht wie ein Märchenschloss oder ein Hotelkomplex aus 1001 Nacht.

Am Horizont: New York? Märchenschloss? 1001 Nacht?

Je näher wir dem Gebilde allerdings kommen, desto eher sehen wir, dass es sich um das Zementwerk handelt, von dem unser Ankerplatz „Puerto Cementero“ – der Zementhafen – seinen Namen hat. Von wegen Märchenschloss…

Als ich den Punkt ansteuere, an dem ich den Anker werfen möchte, ruft Claudia plötzlich von vorne: „Wasserschildkröte“. Ich sehe sie leider nicht, aber Claudia hat sie eindeutig gesehen. Zuerst dachte sie an ein Büschel Seegras, das im Wasser schwamm, dann hat die Schildkröte jedoch ihren Kopf aus dem Wasser gehoben und war dann eindeutig zu erkennen. Bevor Claudia noch in der Lage war, eine Foto zu machen, ist die Schildkröte abgetaucht. Wir werden während unseres gesamten Aufenthalts hier in der Bucht keine weitere Wasserschildkröte mehr gesehen haben – schade.

Wir lassen gegen 16:30 Uhr unseren Anker in der Bucht auf ca. 10m Wassertiefe fallen. Wenn man nicht gerade auf das Zementwerk schaut, ist es hier echt schön. Der Ankerplatz macht einen ruhigen Eindruck, Sabir schaukelt nur ganz wenig in den Wellen hin und her.

Wir sitzen noch eine Weile im Cockpit und verstehen die Welt nicht mehr. Um uns herum sehen wir eine Idylle (wie schon gesagt: Nicht zum Zementwerk schauen!): Das Meer ist blau und glitzert in der untergehenden Sonne. Wir sehen Strand, Palmen und die steile Felsküste. Menschen sind im Urlaub und genießen ihre freie Zeit. Sie sind auf dem Weg in eines der Restaurants im Dorf. Ein paar wenige sind noch am Strand – und in Europa ist Krieg. Claudia fällt es an diesem Tag schwer ihren WhatsApp-Status zu machen, über den sie Familie, Freunde und Bekannte an unserem Leben teilhaben lässt – unsere schönen Bilder kommen uns im Moment zu unpassend vor. Die Sonne geht dessen ungeachtet in einem beeindruckenden Spektakel unter.

Am folgenden Tag lassen wir unser Dinghy ins Wasser und fahren rüber an den Strand. Wir schauen uns das winzige Örtchen an. Es gibt hier nicht wirklich viel zu sehen: Zwei Restaurants, einen winzigen Supermarkt, eine kleine Kapelle, das riesige Zementwerk und ein riesige Apartment-/Hotel-Anlage. Wir entdecken wieder viele Blüten und sehen eine Bananenplantage. Nach zwei Stunden haben wir „alles“ gesehen und sind auch schon wieder zurück an Bord.

Wir bleiben hier noch bis zum 2. März und werden tatsächlich kein einziges Mal mehr von Bord gegangen sein. Wir genießen es, keine Menschen und keine Stadtgeräusche um uns herum zu haben. Wir lassen uns von der Sonne verwöhnen und gehen ab zu im Atlantik baden. Wir lesen viel und versuchen den Spagat zwischen unserem freien Leben und dem Schrecken des Krieges in der Ukraine hinzubekommen.

Leider begann auch der Ankerplatz in den letzten drei Nächten unruhig zu werden, es steht Schwell in die Bucht und Sabir schaukelt uns kräftig im Schlaf…

Also machen wir uns am Mittwoch, den 2. März auf zur zweiten Etappe. Es sind nur knappe 8 Seemeilen von Puerto Cementero bis in die Marina von Puerto de Mogan und so können wir den Morgen und den Vormittag gemütlich angehen lassen. Erst kurz vor 14:00 Uhr fahren wir los – auch mal schön. Mit 10 bis 15 Knoten Wind können wir das meiste der Strecke segeln. Allerdings schläft irgendwann der Wind komplett ein, so dass wir das letzte Stück nach Puerto de Mogan motoren müssen.

Die Hafeneinfahrt von Puerto de Mogan

In Puerto de Mogan werden Claudia und ich das erste Mal mit Sabir mit Mooringleinen anlegen. Claudia hatte ja schon geschrieben, dass sie da ein bisschen Bedenken hat, wie das funktionieren wird. Wir haben unsere Erfahrungen von unseren Charter-Urlauben in Kroatien in der Erinnerung: Dort ist das Anlegen an der Mooring jedes Mal mit viel Aufregung verbunden. Meist ist es jedoch der Marinero, der einem beim Anlegen helfen soll, der das Anlegemanöver dann grandios durcheinander bringt.

Ganz anders hier. Wir fahren mit dem Bug voraus in die Lücke zwischen zwei anderen Yachten und ich stoppe vor der Hafenmauer auf (es gab leider keinen Platz an einem Schwimmsteg für uns). Claudia übergibt dem Mitarbeiter der Marina unsere Vorleinen, während ich mit Motorunterstützung darauf achte, dass Sabir nicht zu dicht auf die Hafenmauer zuläuft. Erst ganz zum Schluss des Manövers übernimmt Claudia die Mooringleine und bringt sie mir, damit ich sie achtern belegen und uns so von der Mauer wegziehen kann. Sehr schön.

Jetzt müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir von Bord und später wieder an Bord kommen werden. Wir liegen zum einen viel zu weit von der Hafenmauer entfernt, als dass wir einfach übersteigen könnten, zum anderen haben wir ja ungefähr alle 6 Stunden Hoch- oder Niedrigwasser. Im einen Fall ist unser Bug ungefähr auf Höhe der Hafenmauer, im anderen Fall liegen wir ca. 1,5m unterhalb. Wir beobachten unsere Nachbarn, beim Von-Bord-Gehen: Diese haben einen Flaschenzug vom Bug an einen Poller an der Hafenmauer gelegt und ziehen ihr Schiff mit diesem einfach vor an die Leiter an der Hafenmauer. Über die Leiter klettern sie an Land und lassen dann ihr Schiff wieder zurück laufen, damit es nicht von der Hafenmauer beschädigt wird. Wir machen es unseren Nachbarn nach und befestigen auch bei uns am Bug einen Flaschenzug. Siehe da, es geht auch ohne Planke.

Die weißen Leinen sind der Flaschenzug, an dem wir uns an die Hafenmauer ziehen können

Wir laufen am Abend noch durch Puerto de Mogan und versuchen uns ein bisschen zu orientieren. Das Örtchen direkt an der Marina ist „aus der Retorte“. Um die Marina herum sind zweistöckige Ferien-Apartments und Restaurants gebaut, die den Eindruck eines idyllischen, gewachsenen Fischerdorf geben sollen. Es funktioniert – allerdings fühlen wir uns ein bisschen wie in einem Freizeitpark und wir Segler sind Teil der Attraktionen (wir werden am Ende auf etlichen Urlaubsfotos verewigt sein).

Am Donnerstag mieten wir ein Auto für Freitag und Samstag, damit wir noch ein bisschen Gran Canaria erkunden können.

Wir schlendern durch das Dorf und gehen abends, nach Sonnenuntergang auf den Mirador de Puerto de Mogan und schauen uns das Dorf und den Hafen bei Nacht an.

Ich ziehe Sabir dichter an die Hafenmauer, damit wir an Bord gehen können.

Eine Antwort auf „Las Palmas – Puerto Cementero – Puerto de Mogan“

  1. Hallo ihr Lieben,
    herzlichen Dank für den Blog und den vielen schönen Bildern.
    Claudia, dass es dir schwer fällt schöne Bilder in deinem Status zu schicken und eure schönen Tage zu genießen verstehe ich sehr gut.
    Hier bekommen wir nur schlechte Nachrichten , schreckliche, grausame Bilder vom Krieg, weinende Mütter und traurige Kinder, die ihre Väter zurücklassen müssen. Ändern können wir den Krieg nicht.
    Wir können nur im Rahmen unserer Möglichkeiten helfen um das ganze Elend etwas zu lindern.
    Genießt das schöne Wetter, den Wind und die Sonne, die wundervollen Eindrücke, das gute Essen und die friedliche Umgebung.
    Viele liebe Grüße aus der Heimat.

Schreibe einen Kommentar zu Helga und Rainer Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert