Auf das Valle Gran Rey, das Tal des großen Königs, freuen wir uns besonders. Das hat zwei Gründe: Zum Einen ist es endlich mal wieder eine Möglichkeit vor Anker zu liegen, zum Anderen ist das „Valle“ In meiner Erinnerung, wie es von den deutschen Aussteigern und den Urlaubern genannt wird, das schönste und fruchtbarste Tal auf La Gomera.
Von San Sebastian im Osten bis nach Vueltas, dem Hafen am Ende des Valle Gran Rey im Westen der Insel sind es knapp 16 Seemeilen. Mit genügend Wind sollten wir da in deutlich weniger als vier Stunden sein. Diesen Wind haben wir heute aber nicht. Wir erwarten den ganzen Tag unter 10 kn Wind. Wenn wir da überhaupt segeln können, werden wir sicher deutlich länger brauchen. Ist aber egal – wir haben ja Zeit.
Wir frühstücken gemütlich, checken in der Marina aus und bereiten die Leinen zum Ablegen vor. Das heißt, wir legen alle Leinen „auf Slip“, so dass wir sie von Bord lösen können und niemanden auf dem Steg brauchen oder gar selbst auf dem Steg sein müssen.
Wir starten den Motor um 11:30 Uhr und bitten die Port-Control um die Genehmigung den Hafen verlassen zu dürfen. Claudia steht am Bug, ich am Heck, bzw. am Steuer. Wir tragen unsere „Gerätle“ (die CEE-Coach Funkgeräte), mit denen wir uns unterhalten können, ohne vom Heck zum Bug rufen zu müssen oder umgekehrt. Claudia holt nacheinander die beiden Leinen am Bug ein, ich hole die Heckleine ein, fahre rückwärts aus der Box und manövriere Sabir aus der Marina heraus. Es geht wieder durch den durch Tonnen begrenzten „Kanal“, in dem wir Kleinen uns durch den Hafen bewegen dürfen.
Da wir nur knapp 5 kn Wind direkt von Achtern haben, ist an segeln überhaupt nicht zu denken. Wir tuckern gemütlich an der Küste La Gomeras entlang. Wir haben über uns strahlend blauen Himmel und die Sonne wärmt uns angenehm. Nach ungefähr eineinhalb Stunden kommen wir aus der Abdeckung von Teneriffa heraus. Der Wind dreht mit 9 kn auf West, wir setzen alle drei Segel und schalten den Motor ab. Wie jedesmal genießen wir den Moment, wenn das Motorengeräusch erstirbt und wir nur noch das Rauschen unserer Sabir im Wasser hören. Schnell sind wir nicht, die Richtung in die wir segeln stimmt auch nicht, aber das ist uns egal – wir haben ja Zeit. Leider ist die Luft über der Insel sehr feucht, so dass sich uns die Küste durch einen Dunstschleier präsentiert.
Wir segeln so lange aufs Meer hinaus, bis ich glaube, dass wir nach einer Wende um die Südküste La Gomeras herumsegeln können. Ich habe jedoch weit gefehlt. Um überhaupt vorwärts zu kommen können wir nicht hoch genug an den Wind gehen und so haben wir nach der Wende einen äußerst miserablen Wendewinkel und kommen so sicher nicht um die Insel herum – egal, wir haben ja Zeit.
Auf dem AIS sehen wir eine andere Segelyacht mit dem Namen „Grazie Mamma“ und fragen uns, ob der Eigner sein Schiffle wohl von der Mama geschenkt bekommen hat?
Gegen 15:00 Uhr lässt dann der Wind so weit nach, dass wir die Genua einrollen und unseren Motor wieder einschalten. Wir lassen das Besan- und das Großsegel noch gesetzt (ich unverbesserlicher Optimist) und folgen der Küste in Richtung Vueltas.
Mit Günther haben wir ausgemacht, dass wir versuchen wollen von der Küste aus sein Häuschen zu fotografieren. Er verfolgt uns auf Vesselfinder und wir stehen über WhatsApp im Kontakt. Wir passieren den neuen und den alten Flughafen der Insel. Es geht vorbei an Buchten in denen Ruinen ehemaliger Thunfisch-Fabriken stehen. Irgendwann sind wir an der Bucht angekommen, von der aus wir zu Günther hochschauen können sollten. Leider hat sich über der Insel inzwischen Dunst gebildet, so dass es mit der Fernsicht nicht weit her ist. Wir machen dennoch ein Bild von wo wir glauben, dass Günthers Häuschen sein sollte und verschicken es über WhatsApp. Kurz darauf macht es Bing und wir bekommen ein Bild zurück auf dem man uns (also Sabir) erkennen kann.
Nun sind wir im Prinzip auch schon kurz vor unserem Ziel. Wir holen zuerst das Besan- und danach das Großsegel ein. Der Anker wird vorbereitet und wir fahren die Bucht vor dem Hafen von Vueltas an. Wir werfen unseren Anker relativ weit weg vom Hafen auf ca. 10m Wassertiefe. Außer uns liegen noch ein paar andere Ankerlieger vor dem Hafen.
Vom Valle Gran Rey sieht man von unserem Ankerplatz leider nichts, das ist noch ein paar km weg. Aber wir sehen in ein anderes schönes Tal, den Barranco de Argaga hinein und sehen dort eine Finca und Palmen. Es sieht sehr idylisch aus.
Der Ankerplatz liegt direkt an einer Steilküste, an der es im November 2020 zu einem spektakulären Felssturz kam. Zum Glück wurde dabei niemand verletzt. Die Straße zu der Finca ist nun jedoch – so wie es aussieht – für Autos unpassierbar und aus den Wohnmobilen sind Wohnimmobilien geworden. Auf Twitter hat jemand zum richtigen Zeitpunkt das Handy auf den Felsen gehalten…
Das Abendessen hat bei uns Kindheitserinnerungen zurückgeholt und wir haben angefangen mit dem Essen zu spielen 😉, während wir uns noch einmal unseren heutigen Track auf Vesselfinder anschauen. Der Wendewinkel ist ja wirklich gruselig…
Morgen „machen wir langsam“ und fahren nur kurz rüber nach Vueltas um uns ein bisschen zu orientieren.