Wir stellen uns gestern einen frühen Wecker, um den Bus um 8:25 Uhr zu erreichen, der uns zum Lomba do Vasco bringen wird. Beim Frühstück fällt uns ein, dass wir ja heute den Aufenthalt in der Marina verlängern müssen. Somit wird aus diesem Plan erstmal nichts, denn das Marinabüro öffnet erst um 9 Uhr und wenn wir nicht verlängern, wird auch unsere Zugangkarte für die Marina nicht verlängert und wir stehen dann am Abend vor verschlossenem Tor.
Also muss ein neuer Plan her… gar nicht so einfach, denn der Wetterdienst hat für heute quasi perfektes, wolkenfreies Wetter vorhergesagt. Da wir den Rückweg vom Boca do Inferno sowieso mit dem Taxi oder mit Trampen versuchen wollten, entscheiden wir uns, die Runde einfach andersrum zu laufen und zu hoffen, dass wir dort den Bus um 16:25 Uhr gut erreichen.
Das mag jetzt etwas dekadent klingen, sich mit dem Taxi chauffieren zu lassen. Doch hierzu muss man wissen, dass die Busverbindungen auf São Miguel, um Ausflüge zu machen, oftmals nicht passen. Was ja auch völlig normal ist, denn die Busse fahren ja hauptsächlich für die Einheimischen.
Die Mietautos hier sind sehr teuer – für einen Tag bezahlt man mit Versicherung schon gerne mal über 100 €. Eine Taxifahrt, wie z. B. heute mit knapp 30 Kilometer, kostet 20 €. Auch viel Geld, aber wir entscheiden uns, uns diesen Luxus heute mal zu gönnen, denn es wurmt uns schon ein wenig, dass wir nun schon so lange hier sind und noch nicht viel von der Insel gesehen haben. Wobei man auch sagen muss, dass das Wetter seither noch nie für Wanderungen, die an schönen Aussichtspunkten vorbei führen, gepasst hat.
Gegen halb zehn machen wir uns vom Marina-Office aus auf den Weg zum Taxistand. Wir haben das Gefühl, der Taxifahrer scheint die Fahrt über die Insel auch zu genießen. Er schaut an einigen Stellen immer wieder sehr interessiert aus dem Seitenfenster und wir meinen ein Lächeln in seinem Gesicht zu sehen. Wir sagen ihm, wie schön wir es hier finden und dass uns die vielen blühenden Hortensien sehr gut gefallen. An manchen Büschen erkennt man kein grün mehr. Es scheint, als sei die Hecke explodiert – nur noch weiß oder blau ist zu erkennen. Die Hortensien zeigen uns ihre volle Pracht. Leider können wir nicht genügend Portugiesisch, um uns mit ihm unterhalten zu können, machen aber mit Zeichensprache klar, wie sehr wir von dem Anblick beeindruckt sind. … sein kurzer Kommentar “ hortênsias muitos bonitas“ – “ Hortensien sehr hübsch“ mit einem Lächeln im Gesicht. Wir verstehen uns…
An einem Aussichtspunkt fragt er uns, ob er kurz anhalten soll, damit wir ein Foto machen können. Wir freuen uns über das Angebot, lehnen jedoch ab, es stehen schon zu viele Menschen dort und außerdem regnet es….
Je weiter wir Richtung Westen kommen, umso trüber wird es. Wir schauen uns enttäuscht an und überlegen uns, ob wir zu optimistisch waren, dass es heute noch wolkenlos werden soll. Egal, wir steigen am Einstieg zur Wanderung motiviert aus. Der Taxifahrer überreicht uns noch seine Karte und deutet uns an, in welche Richtung – Lagoa do Canário – wir gehen sollen.
Am Lagoa do Canário hängen die Wolken zunächst noch tief und wir sehen, dass sich das Wasser an der Oberfläche leicht kräuselt. Peter entdeckt Fische und lässt sich von unserem „Telefonjoker und Freund in Fragen rund ums Angeln und Fische“ die Vermutung „Karpfen“ bestätigen. Ich indes beobachte derweil, dass am gegenüberliegenden Ende des Lagoa das Kräuseln weniger und die Oberfläche glatt wird. Das Wetter klart ein wenig auf und der angrenzende Wald spiegelt sich im Wasser. Was für ein tolles Naturschauspiel. So schnell es sich verändert hat, war es auch wieder verschwunden.
Wir gehen weiter und hoffen – optimistisch wie wir sind – dass auf dem Rückweg die Sonne ein wenig mehr scheint und wir noch ein paar tolle Fotomotive erhaschen.
Wir laufen auf einem breiten Pfad Richtung Miradouro Grota do Inferno und erklimmen am Ende noch ein paar Stufen. Oben angekommen stockt uns für einen kurzen Moment der Atem. Die Wolken lichten sich kurz und uns bietet sich ein wunderschöner Blick auf den Lagoa Azul. Unser Optimismus scheint sich auszuzahlen und wir gehen weiter zum Miradouro da Boca do Inferno.
Schon auf dem Weg dahin zieht es wieder zu. Dort angekommen sehen wir leider nur einen weißen Vorhang. Wir besprechen uns und entscheiden uns, erstmal was zu essen, um die Zeit zu überbrücken. Währenddessen kommen und gehen Wanderer. Wir bleiben hartnäckig, vertreiben uns die Zeit, indem wir Vögel und ein zutrauliches Mäuschen fotografieren. Irgendwann waren 40 Minuten um und: nichts gesehen außer weiß… Da es nun auch noch zu nieseln beginnt, treten wir etwas enttäuscht den Rückweg an, da kann man halt nichts machen.
Aus dem Nieselregen wird richtiger Regen und wir verpacken uns und unsere Rucksäcke wasserdicht. Das Foto mit dem erhofften Sonnenschein am Lagoa do Canário fällt somit auch aus und wir gehen direkt zu unserem nächsten Zwischenstopp Miradouro do Rei. Von dort hat man einen schönen Blick auf die beiden Seen – Lagoa Azul und Lagoa Verde. Ganz in der Nähe waren wir am 8. Juni schon mal, als wir eine Wanderung mit Anna und Reinhard unternommen haben. Am Ende dieses Tages bemerkte Peter, dass wir damals ganz in der Nähe der Hotelruine Monte Palace, einem Lost Place, waren. Das Hotel steht direkt gegenüber des Aussichtspunktes. Das möchten wir uns heute auf jeden Fall auch noch anschauen.
Wir laufen knapp 4 km auf der „Hauptstraße“, wo allerdings wenig Verkehr ist. Für die wenigen Autofahrer sind wir bei dem trüben Wetter – ich mit meinem orangenen Regenumhang, Peter mit seinem gelben Regenschutz für den Rucksack – gut zu sehen.
Je näher wir dem Miradouro kommen, desto mehr klart es auch auf. Wir können immer mal wieder einen Blick auf die Seen erhaschen, aber nicht wirklich erkennen, dass der eine blau und der andere grün sein soll.
Am Miradouro do Rei stehen viele Autos und viele Menschen bringen sich in Pose, um sich vor dem Hintergrund der beiden Seen zu fotografieren. Wir natürlich auch. Trotzdem finden wir, dass wir auch unterwegs sehr viele schöne Stellen hatten, um auf die Seen zu schauen. Wir sind froh, zu Fuß hierher gekommen zu sein.
Direkt gegenüber geht es dann zu der Ruine des Hotels. Sie ist ein nicht schön anzuschauender Betonklotz. Rund um den Hotelkomplex ist eine Mauer gebaut, so dass niemand dort reingehen kann. Überall hängen Schilder, dass der Eintritt strengstens verboten ist. An einigen Stellen ist auch zu sehen, wie sich die Natur wieder alles zurückzuholen versucht. Wir sehen überall Menschen in dem Komplex. Wir möchten auch gerne rein und überlegen uns, wo wohl der „Eingang“ ist. Wir krabbeln durchs Gebüsch und vor einer Mauer steht ein Baum, dessen Äste sehr gut als „Treppe“ zu benutzen sind. Peter klettert voraus, ich gebe ihm alle meine Sachen hoch und versuche, es ihm gleichzutun. Leider rutsche ich auf den feuchten Ästen immer wieder weg und letztendlich fehlt mir auch die Kraft, mich bis zu der Mauer hochzuziehen. Einen kurzen Blick kann ich über die Mauer erhaschen, gebe dann aber auf. Ich möchte nicht unbedingt ausrutschen und mich verletzten. Peter geht in das Gebäude, schaut sich kurz um und macht ein paar Bilder. In der Zwischenzeit kommt ein Paar und fragt mich ob ich wüsste, wie man reinkommen könnte. Ich gebe ihnen den Tipp mit dem Baum und sage, ich wüsste aber nicht, ob es woanders nicht auch noch möglich sei. Der Mann bietet mir noch eine Räuberleiter an, um hochzukommen. Ich lehne jedoch dankend ab und wünsche den beiden viel Spaß.
Als wir später zurück auf Sabir waren, recherchierten wir noch ein wenig, und siehe da, an der Rückseite gibt es wohl einen „Eingang“. Dort muss man nicht über Mauern oder Bäume klettern, sondern anscheinend nur durch ein „Loch“ kriechen, welches in die Mauer geschlagen wurde.
Hier noch ein Link zu der traurigen Geschichte des Hotels:
So langsam bekommen wir Hunger. Deshalb entscheiden wir uns weiterzugehen und hoffen, für unsere Rast ein schönes Plätzchen zu finden. Vom letzten Mal wissen wir, dass es keine Bänke oder Tische geben wird. Aber das ist ja auch nicht schlimm: Wenn wir einen schönen Platz finden, lassen wir uns auch gerne direkt auf dem Boden nieder.
Keine 100 m vom Hotel entfernt kommen wir an der Stelle vorbei, wo wir bei der letzten Wanderung auf den jetzt vor uns liegenden Weg kommen. Doch heute zeigt sich uns alles in einem anderen Licht. Es lockert immer mehr auf und wir sind fasziniert von den Ausblicken, die sich uns heute auftun.
Wir sehen eine einzigartige Landschaft vor und unter uns. Obwohl wir in letzter Zeit immer mal wieder sagen, das fotografieren wir nicht, „da es eh nicht so raus kommt“, machen wir mal wieder sehr viele Bilder.
Hier eine kleine Auswahl:
Die Hortensienhecken, die wir auch schon vom letzten Mal „kennen“, erscheinen uns heute nochmal wuchtiger und prunkvoller. Viele Blüten, die das letzte Mal noch nicht komplett geöffnet waren, blühen heute in ihrer vollen Pracht.
An einem Plätzchen mit Blick auf den Lagoa Azul lassen wir uns nieder und verspeisen unseren „Loch Lomond Toast“, welcher in dieser schönen Gegend gleich nochmal viel besser schmeckt.
Am Miradouro Lomba do Vasco angekommen haben wir noch eine gute Stunde Zeit, bis der Bus kommt. Ich videofoniere mit Familie und Freunden, um ihnen diese Schönheit hier zu zeigen.
Da wir nur wissen, wann der Bus in Sete Cidade abfährt und wir die Bushaltestelle von hier oben über Google Maps herausgefunden haben, ist es auch heute wieder spannend, ob wir an der richtigen Stelle auf den Bus warten und wann er hier oben sein wird. Wir lagen mit unserer Vermutung – räumlich und zeitlich – richtig.
Wir sind froh, dass wir nun im Bus sitzen. Von der letzten Heimfahrt mit dem Bus von Sete Cidade wissen wir, dass wir in Vársea umsteigen müssen. Als der Bus dort anhält, steigen wir auch motiviert aus. Doch der Busfahrer macht uns klar, dass wir sitzen bleiben sollen, wenn wir nach Ponta Delgada wollen. Okay. Gut, dass die Busfahrer immer auf uns aufpassen. Als der Bus weiter fährt, sind wir etwas überrascht, denn wir fahren über die Nordküste der Insel Richtung Capelas. Wir hoffen nun, dass wir vielleicht doch in Ponta Delgada ankommen, denn das letzte Mal sind wir über die Südküste zurück gefahren. Wir überlegen uns, ob wir die Busfahrpläne auf den Azoren wohl irgendwann mal verstehen werden. Auf jeden Fall genießen wir die Rückfahrt sehr, somit bekommen wir auch einen kleinen Ein- und Ausblick auf den Norden der Insel.
Wir kommen nach etwa 90 Minuten gut in Ponta Delgada an, merken, als wir aussteigen, dass wir ganz schön müde sind, kochen noch eine Kleinigkeit und lassen den Tag währenddessen nochmal Revue passieren.
Schön war’s!