Es geht weiter auf die nächste Insel: Wir verlassen Ponta Delgada und segeln von São Miguel nach Terceira. Dort wollen wir in der Bucht, vor der Stadt Angra do Heroísmo, den Anker werfen. Wir wollen dort Jutta und Willi wieder treffen, die vor ein paar Tagen schon losgefahren sind. Anna und Reinhard sind auch auf Terceira. Sie liegen aber in Praia da Vitória. Wir hoffen, dass wir die beiden auch noch einmal treffen können.
Am Tag vor der Abfahrt hat Claudia, wie fast jedes Mal vor einem längeren Schlag, einen leckeren Eintopf vorbereitet, damit wir unterwegs nur aufwärmen müssen.
Ebenfalls am Tag vor der Abfahrt haben wir es noch geschafft, das Essen im vegetarischen/veganen Restaurant „Rotas da Ilha Verde“ auszuprobieren. Wir haben da neulich abends schon einmal versucht, einen Tisch zu bekommen. Das war aber wegen des Zuspruchs, den das Lokal erfährt unmöglich: Die waren regelmäßig, wenn wir da hin wollten, komplett ausgebucht. Nun waren wir zur Mittagszeit dort. Die bieten nämlich auch eine Lunch-Box, bestehend aus Tee, einer Suppe, einer kleinen Portion von zwei Hauptgerichten nach Wahl und einem Salat, an. Das Ganze gab es zum Mitnehmen und wir haben Zuhause im Cockpit auf Sabir gegessen.
Für die Fahrt nach Terceira rechnen wir mit ca 95nm. Je nach Geschwindigkeit werden wir für die Strecke zwischen 18 und 22 Stunden benötigen. Das heißt, wir können uns dieses Mal etwas Zeit lassen mit dem Ablegen. Wir wollen uns gegen halb drei Nachmittags auf den Weg machen, damit wir nach durchwachter Nacht im Verlaufe des Vormittags auf Terceira ankommen.
Wir treffen noch die letzten Vorbereitungen und essen einen Milchreis zur Stärkung:
Pünktlich um 14:30 Uhr starten wir den Motor und werfen die Leinen los. Wir werden von Andrea und Gerhard verabschiedet, die wir zufällig hier in Ponta Delgada nach drei Jahren wiedergetroffen haben. Die beiden stehen am Heck ihres Bootes und machen Fotos von uns, wie wir auslaufen. Wir drehen eine Ehrenrunde und verabschieden uns von den beiden.
Wir verlassen den Hafen von Ponta Delgada und fahren in nordwestlicher Richtung an der Küste São Miguels entlang. Vom Wasser aus erkennen wir Relva und Rocha da Relva. Wir können im weiteren Verlauf auch ungefähr erahnen, wo sich der Kraterrand befindet, an dem entlang wir unsere beiden Wanderungen von Sete Cidades und vom Boca do Inferno gemacht haben und auf den Lagoa Azul und den Lagoa Verde geschaut haben. Über São Miguel beginnt es zu regnen, aber wir bleiben trocken. Über dem Wasser ist ein schöner Regenbogen zu sehen.
Wir kommen zügig voran. Wir segeln mit einem halben Wind zwischen 10 und teilweise 18 Knoten. Sabir beschleunigt zwischendurch auf 7 kn und wir sind begeistert – bis wir irgendwann in eine Abdeckung geraten. Der Wind lässt nach und mit ihm unsere Geschwindigkeit. Zunächst versuchen wir, mit dem bisschen Wind, den wir noch haben, von der Insel wegzukommen. Weiter draußen auf dem Atlantik sieht man wieder Schaumkrönchen. Aber das gelingt uns nicht. Als wir irgendwann mit schlackernden Segeln in der Flaute stehen, starten wir den Motor und fahren auf die Schaumkrönchen zu: Siehe da, wir mussten nicht mal eine Viertelstunde motoren und hatten dann wieder eine passablen Wind um die 10kn.
Leider trübt sich das Wetter weiter ein und es wird kühl im Wind. Wir nehmen wieder unsere Routine der Wachen auf – Claudia wacht und ich schlafe 😉. Ok, wenn man nur nach den Bildern geht, scheint es zumindest so. Das kommt aber nur daher, dass Claudia daran denkt, Fotos zu machen, während ich in meinen Wachen „nur sitze“.
So stammen dann auch die schönen Bilder von Sabirs Bug, wie er durch die niedrigen Wellen pflügt, und Bilder von Sonnenuntergängen meist von Claudia.
Die Nacht vergeht ereignislos. Sabir segelt wie auf Schienen und der Autopilot erfüllt zuverlässig sein Pflicht. Der Wind ist sowohl in Stärke und Richtung konstant und die Großschifffahrt passiert uns in genügend Abstand. Wir sitzen, jeder in seiner Wache, entspannt an Deck und es ist fast schon normal, nachts „alleine“ auf dem weiten Atlantik unterwegs zu sein. Erst vor einem Jahr, im Juli 2021, stand Sabir noch auf Porto Santo auf dem Trockenen und unsere erste größere Passage lag noch vor uns. Wahnsinn, was in dem einen Jahr passiert ist…
Leider ist die Nacht aber auch kalt und zum Morgen hin ist es regnerisch. Während ich unten schlafe, muss sich Claudia immer wieder vor Regenschauern unter die Sprayhood verziehen. Die Sonne geht im Osten in einem milchigen gelb hinter Regenschleiern auf.
Mit Blick auf ein wolkenverhangenes Terceirea sitzen wir gemeinsam im Cockpit und frühstücken. Es gibt Müsli mit frischen Früchten und natürlich Kaffee.
Auf den letzten Metern will es Sabir dann noch einmal wissen: Der Wind frischt in der Nähe der Insel noch einmal kräftig auf und wir preschen wieder mit über 7kn Fahrt auf die Bucht von Angra do Heroismo zu. Wir bereiten uns auf unser Ankermanöver vor: Ich mache den Anker klar, so dass ihn Claudia nachher fallen lassen kann. Aus der Ferne versuche ich das, was ich in der Bucht sehe, mit dem Bild der Seekarte in Deckung zu bringen. Wir lassen das Großsegel fallen, rollen die Genua ein und fahren mit der Maschine die letzten Meter in die Bucht. Wir suchen uns einen Ankerplatz zwischen den anderen Ankerliegern. Es passiert mir immer noch, dass ich mich beim Platzieren des Ankers ein bisschen verschätze und einem Nachbar dann doch für meinen Geschmack etwas zu Nahe komme. Wir ziehen den Anker noch einmal hoch und setzen ihn ein paar Meter weiter nach vorne. Dann passt es. Über die „Gerätle“, mit denen Claudia und ich während des Ankerns in Kontakt stehen, sage ich: „Wir sind angekommen“ und stoppe die Maschine.
Wir werfen einen ersten Blick auf die Stadt Angra do Heroismo und freuen uns, bald an Land gehen zu können. Der Anblick gefällt uns sehr: Bunte Häuschen und Kirchen heißen uns willkommen.
Wir legen uns hin und schlafen erst einmal ausgiebig. Die Nachtwachen erschöpfen uns doch auch jedes mal wieder. Der Schlaf ist unruhig, da Sabir im Schwell sehr kräftig schaukelt.
Um die Mittagszeit kommt die Sonne heraus und das Bild der Stadt wird noch einmal schöner mit den weißen Schäfchenwolken und dem blauen Himmel.
Wir stehen im Kontakt mit Jutta und Willi, die uns über die Schiffsbewegungen in der Marina auf dem Laufenden halten: „Jetzt fährt einer raus, da wird ein Platz frei…“ Ich kann mich irgendwie noch nicht damit anfreunden, jetzt in die Marina rüber zu fahren – wir sind beide noch viel zu müde, als dass wir uns die Aktion geben wollten… Als das Schaukeln im Laufe des Nachmittags nicht weniger wird, wächst unsere Unzufriedenheit mit dem Ankerplatz. Als Jutta schreibt, dass der erste Platz in der Marina direkt nach der Einfahrt frei werden wird, gehen wir Anker auf und legen uns auf den freien Platz.
Viel besser. Das Schaukeln ist weg, aber den Schwell spürt man weiterhin in der Marina. Sabir ruckelt und zuckelt an ihren Leinen. Wir sind froh, dass wir die Ruckdämpfer auf São Miguel gekauft haben.
Heute haben wir einen ersten Rundgang durch die Stadt gemacht und sind schlichtweg begeistert von dem, was wir finden. Seht selbst:
Abends sind wir bei Jutta und Willi auf der Leonie zum Abendessen eingeladen. Es ist schön, die beiden wieder als Nachbarn zu haben.
„Angra do Heroismo“ heißt übrigens ins Deutsche übersetzt „die Bucht des Heldentums“. Den Namen bekam die Stadt während des Portugiesischen Bürgerkriegs verliehen, als sich Terceira gegen den damals in Portugal absolutistisch herrschenden König Miguel stellte und seinen eher liberalen Bruder, den brasilianischen (und ehemals portugiesischen) König Peter, unterstützte. Der Bürgerkrieg endete zu Gunsten Peters, der in der Folge wieder den Thron von Portugal übernahm.
Am 1. Januar 1980 wurde die Stadt für nur 8 Sekunden von einem Erdbeben der Stärke 8,5 erschüttert. Dabei starben 50 Menschen und viele historische Gebäude fielen in sich zusammen oder wurden schwer beschädigt. In der Rekordzeit von nur 3 Jahren wurden diese Schäden beseitigt und die Stadt in ihrem barocken Stil wieder aufgebaut. Zu verdanken ist dieser Eifer der UNESCO, die den Wiederaufbau unterstützt und in der Folge (1983) Angra den Status „Weltkulturerbe“ verliehen hat.