Sabir‘s sailing

Seit Mitte August hören wir immer wieder die Fragen „wart Ihr denn schon segeln?“, „wann geht’s los?“, „wo soll‘s denn hingehen?“,…

Jedes Mal war unsere Antwort „noch nicht, zuerst müssen wir noch [hier beliebiges einsetzen] verbessern / reparieren / machen“ oder „wenn der kräftige Wind vorbei ist“ oder „nächste Woche“ (nächste Woche passt eigentlich immer 😉)…

Irgendwann haben wir uns selber gefragt, warum wir nicht einfach mal segeln gehen:

Es war bislang einfach gleichzeitig zu viel zu tun und viel zu gemütlich. Wir hatten ja schon geschrieben, dass alles, was man hier beginnt immer länger dauert, als man denkt (siehe Boat Hour). Auch die kleinsten Dinge, die man erledigen möchte benötigen ewig.

Zum Beispiel Wäsche waschen: In der Halle des Boat Yard gibt es eine Waschmaschine, die von den Seglern am Steg und vor Anker genutzt werden kann. Möchte man seine Wäsche waschen versucht man morgens der Erste zu sein, der seine Tasche mit Wäsche in die Maschine bekommt. Also macht man sich vor 8:00 Uhr auf den Weg zur Waschmaschine (einfacher Weg knapp 10 Minuten), stellt um 8:00 Uhr fest, dass die Halle noch nicht geöffnet ist und wartet. Gegen 8:10 Uhr macht man sich unverrichteter Dinge auf den Rückweg. Selbes Spiel wieder um 9:00 Uhr – da stellt man fest, dass man zu spät gekommen ist und schon eine andere Crew am Waschen ist. Ein Blick auf die Waschmaschine zeigt, dass die Wäsche in 40 Minuten fertig ist. Die eigene Tasche stellt man nun so vor die Waschmaschine, dass deutlich wird, dass wir als nächstes dran sind. Wir stellen einen Timer und machen uns nach einer halben Stunde erneut auf den Weg um vor Ort zu sehen, dass irgendjemand schneller war, die gewaschene Wäsche aus der Maschine genommen und dafür seine eigene hinein getan hat… Wenn wir es schaffen unsere Wäsche in die Maschine zu bekommen, ist es dann kurz vor 12:00 Uhr. Von 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr ist die Halle geschlossen, also kann man seine Wäsche erst nach 14:00 Uhr (so die Halle pünktlich geöffnet wird) abholen. Was also Zuhause in 5 Minuten erledigt ist, benötigt hier gut und gerne bis in den Nachmittag hinein. Luxusprobleme…

Segeln ist an so einem Tag also nicht mehr drin. Ich schweife ab.

Ach so und gemütlich ist es. Wir treffen unsere Nachbarn am Steg trinken mal schnell einen Kaffee bei uns, auf einem der anderen Schiffe oder in der Marina Bar. Schlendern vor ins Dorf zum Bummeln, Einkaufen,…

Segeln ist auch an solchen Tagen nicht drin.

Aber irgendwie war gestern (nach ca. 2,5 Monaten auf Porto Santo) der richtige Zeitpunkt um endlich mal die Leinen loszuwerfen und zu schauen, ob Sabir noch weiß wie man segelt (ok, ich hör Euch sagen: „Sabir kann‘s bestimmt, könnt Ihr‘s denn noch?“).

Bis wir allerdings in die Pötte kommen vergeht wieder sehr viel Zeit. Wir müssen Sabir aus der Wohnkonfiguration in Segelkonfiguration bringen. Alles, was wir der Einfachheit irgendwo offen hingelegt haben, muss verstaut werden. Unseren Proviant, der in der Achterkajüte auf dem Bett lagert, müssen wir gegen Verrutschen und Kippen sichern. Wir schließen alle Luken, alle Seeventile. Das Dinghy wird wieder fest an Deck verzurrt und das Großfall an das Segel angeschlagen. Wir legen unsere Leinen (an denen Sabri die letzten Tage unruhig geruckt und gezuckt hat, sie will los) „auf Slip“ – also so, dass wir sie von Bord leicht lösen können. Claudia und ich gehen noch mal alle Systeme durch: Funkgerät, Kartenplotter, Autopilot, elektrische Winschen, alle Leinen zum Segel steuern. Ich starte den Motor, damit er ein bisschen warm laufen kann und wir besprechen, wie ich Ablegen werde.

Inzwischen ist es 13:30 Uhr, eigentlich Zeit für Kaffee und Kuchen 😉. Es gibt Segler hier am Steg, die sagen „ein Segeltag ist ein verlorener Hafentag“.

Unseren Stegnachbarn bläuen wir ein, den Liegeplatz am Kopfsteg mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, sollte es jemand wagen, sich an „unseren“ Platz zu legen. Das Marinabüro weiß Bescheid, dass wir heute Abend wieder zurück sind.

Gegen 14:00 Uhr entfernen wir die Leinen und fahren entspannt vom Steg in das Hafenbecken. Dort drehen wir noch ein paar kleine Kreise (wie schreibt man die Verniedlichungsform von Kreis ohne dass es blöd aussieht? Kreischen?), nehmen die Fender an Bord, schießen unsere Festmacher auf und verstauen alles.

Als wir aus dem Hafen rausgefahren sind, legen wir unsere Schwimmwesten an (das nächste mal dann in umgekehrter Reihenfolge) und setzen das Großsegel und danach das Vorsegel. Es läuft nicht ganz so geschmiert, wie ich mir das gewünscht hätte – zum Einen hat sich das Großfall vor dem Segelsetzen um eine der Maststufen gelegt (Großsegel wieder runter, Fall befreien, Segel wieder hoch), zum Anderen sind die Leinen der drei Reffs etwas hart und laufen sehr schlecht durch die ganzen Rollen. Claudia steht am Mast, ich am Ende des Baumes und wir ziehen an den Reffleinen, damit sich das Segel vollständig setzen lässt (da muss ich mir mal überlegen, was ich besser machen kann). Das Setzen des Vorsegel läuft dafür perfekt, wir haben beim Anschlagen alles richtig gemacht.

Wir nehmen Kurs Richtung „Martins Insel“ und denken mit einem lachenden und einem weinenden Auge an einen schönen Segeltag mit einem lieben Menschen zurück. Mit anfangs halbem Wind, später am Wind düsen wir mit bis zu 8 Knoten (Meine Güte, wir wussten nicht, dass unsere alte Dame es so nötig hatte) und einem fetten Grinsen im Gesicht durch moderate Wellen – Generalkurs „Afrika“. Unser Windmesser zeigt am Wind knapp 20kn scheinbaren Wind an, wir kommen auf ca. 50° zum Wind, gehen wir höher, wird Sabir langsamer.

Da wir heute nicht so lange und nicht so weit fahren wollen, fahren wir eine aufwendige Wende (Motor an, Batterien parallel schalten, Genua einrollen, mit dem Motor durch den Wind, auf dem anderen Bug die Genua wieder ausrollen) und düsen wieder mit 6 bis 8 Knoten zurück Richtung Porto Santo.

Als ich das Steuer näher Richtung Porto Santo lege, habe ich das Gefühl auf einen leichten Widerstand zu stoßen – unser Mädel will noch nicht Heim, sie möchte wohl weiter – wie weit? nach Madeira? Kanaren? Ich überzeuge sie mit einem kräftigen Ruderdruck, dass heute nur die Einstimmung auf weitere schöne Segeltage ist.

Vor dem Strand angekommen fallen wir auf einen raumen Kurs ab, rollen die Genua ein und lassen dann im Wind das Groß fallen – es läuft alles wie am Schnürchen. Gemütlich lassen wir den Autopiloten Richtung Hafen steuern, während Claudia und ich das Segel etwas aufräumen, sowie die Fender und Leinen für den Anleger bereit legen. Wir besprechen das Anlegemanöver (welche Leine zuerst, auf welche Klampe wird sie gelegt, was ist, wenn niemand am Steg steht und hilft?) und fahren zwischen den Ankerliegern im Hafen hindurch zu unserem Liegeplatz.

Am Steg stehen schon Helga und Herry von der „My Way“, sowie Linda und Sven von der „Blue Flash“ bereit um unsere Leinen entgegen zu nehmen. Wir legen längsseits an, Claudia übergibt eine Mittelspring an Herry, ich dampfe in die Leine ein und Sabir kommt gemächlich mit dem Heck an den Steg. Wir übergeben eine Vorleine an Sven und eine Achterleine an Herry und sind nach ein paar Minuten fest und sicher am Steg.

Wir sind euphorisch und sprudeln vor Begeisterung, der Tag unter Segeln war zwar aufwendig, weil vieles seit letztem Jahr noch ungewohnt war, aber der Spaß mit Sabir schnell und doch sicher durch die Wellen zu segeln war unbeschreiblich.

Wir trinken zusammen mit den Helfern ein Anleger-Bier und verabreden uns mit Sven und Linda zum Hamburger-Essen im „Helios“ (superleckere und günstige Hamburger mit und ohne Fleisch – @Barbara: Wie in Vaxholm – aber nur 5€).

Beim Abendessen erfahren wir über Telegram, dass – so passend zu unserem perfekten Tag – uns liebe Menschen heute, während wir uns zum Segeln bereitgemacht haben, ihr Töchterchen auf die Welt gebracht haben. Wir freuen uns sehr mit Euch und wünschen Euch Dreien alles Gute zum Geburtstag!

4 Antworten auf „Sabir‘s sailing“

    1. Danke für den Kommentar.
      Wir hatten seeehr viel Spaß.
      Das Schreiben macht noch mehr Freude wenn wir wissen, dass unsere Beiträge gelesen werden.
      Liebe Grüße 😘

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